Es ist so schwer für viele Lehrer, Die Unterschicht zu überzeugen, Dass sie blinder Konsumverehrer ? Und Menschen Sparsamkeit verleugnen.
Bedürfnisse befriedigen sofort, Ja Geld nicht auf die hohe Kante legen! Die Fast-Food-Kette ist der wahre Ort, Wo Fett und Zucker der allein'ge Segen.
Der Arme lässt sich davon nicht abbringen, Wo Reiche längst die Segel streichen, Weil Arme selten um Entscheidung ringen ? Und dem Konsumrausch niemals weichen!
Die Selbstkritik ist dort nicht ausgebaut, Wo man den schnellen Lüsten frönt Und immer nur laut auf die Pauke haut, Weil man mit sich nicht selbst versöhnt.
Lieber verhöhnt man doch die Reichen, Konsumverzicht verlacht man kollektiv, Will von der eigenen Unklugheit nie abweichen Und übersieht, dass man da doch reichlich naiv.
Der Unterschichtler weiß doch immer alles schon, Legt sich die Welt zurecht, wie er sie sieht, Merkt nicht, dass Fleiß ein wahrer Lebenslohn, Mit dem der Tagesfrust dem Dasein flieht.
Er will die ganze Welt lautstark belehren Und sieht nicht, dass die anders tickt. Bequemlichkeit will er dennoch verehren Und merkt nicht, dass er leider ungeschickt.
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Liebe Dichterfreundinnen, liebe Dichterfreunde! Zu meinem Gedicht ?Unterschichthaltung? möchte ich hier einen ausführlichen Kommentar schreiben, um damit vielleicht ein klein wenig Verständnis zu wecken. Dazu muss ich etwas weiter ausholen. In meiner aktiven Zeit als Lehrer und Schulleiter konnte ich immer wieder beobachten, dass insbesondere Ärmere sich selbst im Wege standen, wenn es um Konsumfragen ging. Viele haben einfach konsumiert, ohne zu fragen, ob sie diese Dinge, die sie da erworben haben, auch brauchen. Ähnliche Brobachtungen hat bereits Johann Heinrich Pestalozzi sammeln müssen. In seiner ?Armenerziehung? hat er darauf reagiert und geschrieben, man müsse die ?Armen zur Armut erziehen?. Das hat ihm üble Briefe eingebracht. Dabei wollte er etwas ganz anderes mitteilen. Er wollte anmahnen: Bildung, Erziehung und Unterricht müssen so gestaltet werden, dass Arme robust und verständig genug werden, um aus ihrer Armut heraus zu kommen. Deshalb ist bei ihm Psychologie auch nicht Selbstzweck, sondern ?Mutteraufmerksamkeit?. Sie soll und will über Elternhaus und Schule erreichen, dass alle Kinder und Jugendlichen über einen Beruf zu einem wohlständigen Leben gelangen. Immanuel Kant hat in seiner Schrift ?Über Pädagogik? ähnliche Absichten geäußert. In seiner berühmten Definition von ?Aufklärung? heißt es, der Mensch solle aus seiner ?selbst verschuldeten Unmündigkeit? herauskommen. In dieser Tradition steht mein Gedicht. Nur übelmeinende Zeitgenossen werden mir Böswilligkeit unterstellen, die ich niemals gehegt habe. Ich habe meine Edukanden immer sehr gemocht! Gegen entsprechende Fehlhaltungen von Jugendlichen habe ich allerdings versucht, ihnen die Augen zu öffnen. Dies ist mir zumeist gelungen. Und nicht wenige meiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler, die heute fest im Sattel sitzen, haben mir dies immer wieder auf Klassenfeiern bestätigt und mir dafür herzlich gedankt! H. H. Karg