Die Greisin©Hans Hartmut Karg2015Sie lag so still in ihrem BetteDiskutiert´ ihr ganzes Leben.Mancher war da nicht der Nette,Doch ist es dann so halt eben.Mit Neunzig längst im AltenheimHatte die Zeit sie stets zum Grübeln.Sie unterschied jetzt Sein vom Schein,Konnte nichts mehr echt verübeln.Ein Sklavenleben hatte sie,Als Magd ward sie unten geboren,Doch Gott ihr viel Gesundheit lieh ? Sie ward zur Ahnherrin geboren!Ein Sohn ward ihr eben gezeugt,Ein Bankert ohne jeden Wert.Das Schicksal hat sie nicht gebeugt,Sie hat sich da niemals beschwert.Selbst als ein Bürgermeister kam,Der vergewalt´gen sie wollt`,Da blieb sie stolz, ließ ihn nicht ´ran,Er ihr da nur Verachtung zollt´. Ganz ungebrochen blieb ihr Geist,So reinlich war die gute Seele:Da war das Herz auch nicht vereist,Sie nahm nie an die Mannbefehle.Doch nun war sie doch recht gebrechlich,Ihr Körper streikte hin und wieder,So manches wurde nebensächlich,Wenn Schmerz fuhr in die alten Glieder.Und manches wurde würdelos,Wenn Wasser sie nicht halten konnteUnd es verrann aus ihrem Schoß,In dem einst Liebevolles wohnte.Sie las nichts mehr, sie trank nicht mehr,Wurde allmählich schwächer.Die Atmung ging mitunter schwer,Zitternd nahm sie den Becker ? Und stellte ihn doch wieder ab,Weil sie nicht trinken wollte.Sie aß nicht mehr, setzte es ab,Wo sie doch essen sollte!So schwand sie aus der Zeit, dem Raum,Sie ging, wie sie gekommen.Das registrierte man hier kaum,Wo Abschied wird genommen.Sie ging ? und wusste, dass sie ging,Das Leben war ein Witz!Sie ging, obgleich sie daran hing,Ganz mit Verstandbesitz.Das Leben bleibt ein Traum auf Reisen,Das wusste sie ja immer schon.Man kann sich da wenig beweisen ? Jetzt hat den Stab der eigne Sohn.*